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Geschrieben von Peter Bischof am 08. Januar 2018

Kultur und mehr

Er will immer nur spielen

Seit über 50 Jahren lebt Reiner „Latschen“ Bartels den Beat

So kennt man ihn: „Latschen“ konzentriert am Bass. (Fotos: Detlef Seidel)
So kennt man ihn: „Latschen“ konzentriert am Bass. (Fotos: Detlef Seidel)
Sie spielen seit 1965 zusammen: Gitarrist Bernd Bauer und Reiner „Latschen“ Bartels…
Sie spielen seit 1965 zusammen: Gitarrist Bernd Bauer und Reiner „Latschen“ Bartels…
…auf der Bühne sind die Beiden mindestens noch so fit wie Mick Jagger und Keith Richards.
…auf der Bühne sind die Beiden mindestens noch so fit wie Mick Jagger und Keith Richards.
Dieter „Mausi“ Manß ist ebenfalls ein Gründungsmitglied der Mad Maroons. Er freut sich mit Daniela Bartels über den Jubilar.
Dieter „Mausi“ Manß ist ebenfalls ein Gründungsmitglied der Mad Maroons. Er freut sich mit Daniela Bartels über den Jubilar.
Stolzer Vater: „Latschen“ mit Tochter Daniela auf der Bühne.
Stolzer Vater: „Latschen“ mit Tochter Daniela auf der Bühne.
Keine Angst vor Country: „Latschen“ zusammen mit Annette und Wolfgang David, David & Heart, bei der Revival Sound Company.
Keine Angst vor Country: „Latschen“ zusammen mit Annette und Wolfgang David, David & Heart, bei der Revival Sound Company.
Jürgen Menge (rechts) ist ein alter Mitstreiter von „Latschen“. Mit Klaus Feldhahn stand er im November 2017 erstmals auf der Bühne.
Jürgen Menge (rechts) ist ein alter Mitstreiter von „Latschen“. Mit Klaus Feldhahn stand er im November 2017 erstmals auf der Bühne.

„Ich will mein Publikum unterhalten, spielen, was den Leuten Spaß macht. Ich will es nicht erziehen!“
Reiner „Latschen“ Bartels

 

Herzberg. „Poor boy you must know; poor boy life is so hard to go; poor boy, poor boy you must say, life is very hard to stay.“ Den Blick leicht gesenkt, die Brille vorn auf der Nase, die Bassgitarre konzentriert im Griff: Man sieht es ihm nicht sofort an, aber wenn das Publikum zu den Songs seiner Bands mitsingt und -tanzt, dann ist Reiner „Latschen“ Bartels in seinem Element. Das ist es, weshalb er seit über 50 Jahren auf der Bühne steht. Das Publikum unterhalten, die Songs spielen, die seine Fans und Konzertbesucher hören wollen.

Das hat er bei Rockfort getan, bei Royal Flush, bei Soundtruck, bei Full Circle und der Sometimes Seven Jazz Band. Und das macht er heute noch mit der Waiting Room Jazzband, auch wenn er da schon einmal im Sitzen spielt.

 

Mad Maroons und Impetus

Für die jungen Leute das spielen, was sie hören wollen, das war auch die Intention der Mad Maroons. Latschens erste Band, inspiriert von den Beatles, startete 1965 fast zeitgleich mit dem legendären TV-Beatclub von Radio Bremen. Seine Mitstreiter bei den Mad Maroons waren Dieter „Mausi“ Manß, Bernd Bauer und der verstorbene Horst Wode. Die Band wurde schnell bekannt, trat in ganz Südniedersachsen und darüber hinaus auf. Mit den Mad Maroons und Gästen wie Jürgen Menge und Klaus Feldhahn bringt Latschen auch heute, nach über 50 Jahren, wieder die Säle zum Kochen. Wie zuletzt vor rund sieben Wochen im Dorfgemeinschaftshaus Lonau.

Nicht so ganz „sein Ding“ war 1970 sein Ausflug in den Hard Rock. Als Black Sabbath mit dem erst berühmten und später berüchtigten Ozzy Osbourne, Taste mit Rory Gallagher und Deep Purple im Sog von Jimi Hendrix und Led Zeppelin erfolgreich wurden, knallte Latschen mit „Mausi“ Manß und Horst Wode als Impetus den Jugendlichen Zuhörern in der Region „War Pigs“ und „Purple Haze“ um die Ohren. So laut, dass die Polizei sogar ein Konzert im Freibad am Herzberger Juessee abrupt beenden musste.

 

Legendäre Cola-Bälle

Der „Painter Man“, der „Poor Boy“ und die „Pretty Liza“ waren schon immer eher etwas für ihn. Diese Songs kamen bei den legendären „Cola-Bällen“ an, den Tanznachmittagen in brechend vollen Sälen, bevor die Diskotheken aufkamen. Und bei den Schützenfesten und Vereinsbällen. In der Aschenhütte beim renommierten Wirt Kurt Schreiber gingen beim Ball schon einmal wertvolle Blumenvasen zu Bruch, weil die Vibrationen des Basses sie langsam aber sicher von der Fensterbank geschoben hatten.

Mit Royal Flush nahm Latschen vor drei Jahrzehnten übrigens das vorweg, was später die Schürzenjäger taten: Volksmusik poppig und rockig spielen. „Selbst vor Heino-Coverversionen hatten wir keine Angst“, schmunzelt er.

Mit der inzwischen auch schon fast legendären Sound Revival Company mit Wolfgang und Annette alias David & Heart, Jörg Teyke, Carsten Koch und dem leider inzwischen ebenfalls verstorbenen Uli Brandt kam dann vor acht Jahren noch eine gewaltige Prise Country dazu. Kein Problem für Latschen, der „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash liegt ihm genauso wie „Bad Moon Rising“ von CCR.

 

Eisenbahn für Bassgitarre

Insgesamt hat Latschen mit elf Bands gespielt, sie gegründet oder ihnen zumindest Starthilfe gegeben wie zum Beispiel bei Heart Mountain Skiffle Track und Campfire. Er hat Gus Backus bei „Da sprach der alte Häuptling“ und andere frühere deutsche Schlagergrößen auf der Bühne musikalisch begleitet. Wenn er in gemütlicher Runde von diesen Zeiten erzählt, könnte man stundenlang zuhören. Und man spürt, es hat ihm Spaß gemacht, jede Band, jeder Auftritt, jeder Song. Dabei war der Start in die Musikkarriere für ihn nicht so einfach. Um seine erste Bassgitarre zu finanzieren, musste er sogar seine Märklin-Eisenbahn verkaufen.

Reiner Bartels ist gebürtiger Herzberger. Seine Eltern waren wenige Jahre zuvor aus dem Teutoburger Wald nach Herzberg übersiedelt. Sein Vater war als Versandleiter bei Hofmann tätig.

Nach seiner Ausbildung zum Großhandelskaufmann im Konsum in der Herzberger Aue wechselte er nach Göttingen zu Coca-Cola Deutschland als sogenannter Vorverkäufer. Als er Jahre später vom „Ami-Management“ die Nase voll hatte, heuerte er in Herzberg bei ortsansässigen Bierverlagen an. Da blieb er bis zu seiner Rente und dann auch noch aushilfsweise etwas darüber hinaus.

 

Tochter Daniela auf der Bühne dabei

Auch heute ist Latschen noch immer unterwegs. Am frühen Morgen begleitet er Kinder- und Jugendliche auf ihrem Weg zu ihren Tageswerkstätten. Mit seiner humorvollen und stets ausgeglichenen Art ist er seinen Mitfahrern ein liebenswerter und verständnisvoller Ansprechpartner. Cool finden sie ihn ohnehin.

Am Abend ist dann das Fahrrad dran. Das wird erst oben am Herzberger Marktplatz geparkt und später am Pfingstanger vor Alenkas Sonderbar.

Aber immer alles diszipliniert, darauf kann sich seine Ehefrau Heike verlassen. Die hat immer Verständnis für sein Hobby, nein, für seine Passion Musik gehabt. Und besonders stolz ist Latschen darauf, dass die gemeinsame Tochter Daniela von klein auf mit ihm musiziert hat. Heute steht sie oft neben ihm bei den New Mad Maroons auf der Bühne. Wenn Daniela „You‘re so vain“ singt, kann sich Latschen den stolzen Seitenblick nicht verkneifen.

 

Nach dem Konzert ist vor dem Konzert

Ob auf der Bühne, in der Kneipe oder im Beruf: „Latschen ist einer, der mit allen Menschen aus allen Schichten und jeden Alters klar kommt“, sagen seine Freunde unisono. Umgekehrt kann er sich auf seine Freunde verlassen, auf seinen Nachbarn, der ihm bei handwerklichen Dingen zur Seite springt, und auf seinen „Bürovorsteher“ Otto, der Schreibkram und „Digitales“ für ihn regelt. Denn damit hat er nichts am Hut, selbst sein altes Handy würde er für nichts in der Welt gegen ein Smartphone eintauschen.

Muss er auch nicht, es reicht, wenn er seine Bassgitarre nimmt, ein paar Mitstreiter um sich sammelt, und seinen Zuhörern viel Spaß bereitet, wenn er seinen „Poor Boy“ nicht nur singt, sondern lebt. „Nach dem Konzert ist für ihn vor dem Konzert“, sagt seine Frau Heike. Seine Fans hoffen, dass das noch viele Jahre so bleibt. Am Sonntag, 7. Januar 2018, wurde der Poor Boy 70 Jahre alt. Er erlaubte sich, das nur im ganz kleinen Kreis zu feiern.


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