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Geschrieben von Peter Bischof am 26. Oktober 2018
Aktuell

Für eine Welt ohne Kinderlähmung

Am Sonntag, 28. Oktober, wird in Deutschland der Weltpoliotag begangen

Warm anziehen heißt es wieder für die Mitglieder des Rotary Clubs Bad Lauterberg-Südharz in der Adventszeit. Der Glühweinstand in der Bad Lauterberger Fußgängerzone muss aufgebaut und über eine Woche lang täglich besetzt werden.
Warm anziehen heißt es wieder für die Mitglieder des Rotary Clubs Bad Lauterberg-Südharz in der Adventszeit. Der Glühweinstand in der Bad Lauterberger Fußgängerzone muss aufgebaut und über eine Woche lang täglich besetzt werden.
Sheeren Adam trat zusammen mit dem Polizeiorchester Niedersachsen im August 2017 im Kurpark Bad Lauterberg auf. Besucher spendeten eine hohe vierstellige Summe für den Kampf gegen die Kinderlähmung. Foto: Polizeiorchester
Sheeren Adam trat zusammen mit dem Polizeiorchester Niedersachsen im August 2017 im Kurpark Bad Lauterberg auf. Besucher spendeten eine hohe vierstellige Summe für den Kampf gegen die Kinderlähmung. Foto: Polizeiorchester
Um Spenden für „End Polio Now“ zu sammeln, wird der Rotary Club Bad Lauterberg-Südharz vor Weihnachten wieder mit einem Glühweinstand in der Bad Lauterberger Fußgängerzone vertreten sein.
Um Spenden für „End Polio Now“ zu sammeln, wird der Rotary Club Bad Lauterberg-Südharz vor Weihnachten wieder mit einem Glühweinstand in der Bad Lauterberger Fußgängerzone vertreten sein.
Die Mitglieder des Rotary Clubs Bad Lauterberg-Südharz lösen sich am Glühweinstand ab. Im Foto halten Petra Simanski aus Osterode und Per Magne Folkestad aus Herzberg die Stellung.
Die Mitglieder des Rotary Clubs Bad Lauterberg-Südharz lösen sich am Glühweinstand ab. Im Foto halten Petra Simanski aus Osterode und Per Magne Folkestad aus Herzberg die Stellung.
Ab und zu müssen sich die Mitglieder des Clubs auch einmal selbst stärken und aufwärmen. Dies tun hier Brigitte Götz aus Herzberg und Björn Gollée aus Bad Lauterberg.
Ab und zu müssen sich die Mitglieder des Clubs auch einmal selbst stärken und aufwärmen. Dies tun hier Brigitte Götz aus Herzberg und Björn Gollée aus Bad Lauterberg.
Sind sich einig, dass die Bekämpfung der Kinderlähmung auch hier vor Ort ein wichtiges Thema ist: Hinrich Bangemann (rechts), Präsident, und Stefan Flindt, Poliobeauftragter des Rotary Clubs Bad Lauterberg-Südharz.
Sind sich einig, dass die Bekämpfung der Kinderlähmung auch hier vor Ort ein wichtiges Thema ist: Hinrich Bangemann (rechts), Präsident, und Stefan Flindt, Poliobeauftragter des Rotary Clubs Bad Lauterberg-Südharz.

Es fängt mit hohem Fieber an. Anschließend kommen meist Nackenstarre und Atemlähmungen hinzu. Noch vor dreißig Jahren erkrankten weltweit jeden Tag 1000 Kinder an Polio beziehungsweise Kinderlähmung. „In den Folgejahren bis heute wurden im Kampf gegen diese Krankheit große Fortschritte gemacht", sagt Hinrich Bangemann, amtierender Präsident des Rotary Clubs Bad Lauterberg-Südharz. „Viele ältere Leute kennen bestimmt noch den Slogan ,Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam‘.“
Hinrich Bangemann erinnert aus Anlass des Weltpoliotages, der weltweit am 24. Oktober, in den deutschsprachigen Ländern Europas aber erst am 28. Oktober begangen wird, an die Kampagne „End Polio Now“, mit der sich Rotary International die Ausrottung dieser Krankheit auf die Fahnen geschrieben hat.

Krankheit anfangs schwer zu erkennen

„Polio, kurz für Poliomyelitis, ist eine hochansteckende Infektionskrankheit“, erläutert dazu Stefan Flindt, Polio-Beauftragter des Bad Lauterberger Clubs. „Die Viren befallen hauptsächlich Teile der sogenannten grauen Rückenmarksubstanz, was zu  Lähmungserscheinungen führen kann. Deshalb auch die Bezeichnung  ,Kinderlähmung’.“ Allerdings klinge die Lähmung von Armen oder Beinen im Laufe der Zeit wieder ab, was die Ursache für deformierte Kinderbeine sei, die ältere Menschen neben dem Schluckimpfung-Slogan noch mit der Krankheit in Verbindung bringen würden. Eine dauerhafte  Lähmung trete glücklicherweise äußerst selten auf.
Polio ist nur schwer zu erkennen und einzugrenzen, da die Inkubationszeit bis zu 10 Tage betragen kann. Häufig kann sich das Virus mehrere Monate lang ausbreiten, ohne entdeckt zu werden, vor allem auch, weil fast 75 Prozent der  Infektionen zu keinerlei Symptomen führen. Etwa ein Viertel der Fälle führt zu einer Erkrankung, die über mehrere Tage Fieber oder Erkältungen führt, was dann aber meist nicht sofort mit Polio in Verbindung gebracht wird. Rund ein bis fünf Prozent der Fälle führen zu einer „nicht-paralytischen aseptischen Meningitis", in denen der Patient bis zu 10 Tagen an steifen Gliedmaßen leidet

Nach 1988 sehr schnell große Erfolge

Im Jahr 1988 wurde „Global Polio Eradication Initiative" (GPEI), zu deutsch die Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung, gegründet. Durch die große Zahl der darauf folgenden Impfkampagnen gab es schnelle Erfolge. Möglich war das auch, da das Virus nur beim Menschen überleben kann. Eine Übertragung auf Tiere ist nicht möglich. Beim Menschen wird das Virus über den sogenannten fäkal-oralen Weg übertragen, also hauptsächlich durch Trinkwasser, das durch menschlichen Kot kontaminiert wurde, der das Poliovirus trägt. Das Virus verbreitet sich deshalb besonders gut unter schlechten sanitären Bedingungen aus.

Dennoch griffen die Maßnahmen der GPEI. Seit 1988 sank die Zahl der Länder mit Polioerkrankungen von anfangs 125 auf drei im Jahr 2013. Nur in Pakistan, Afghanistan und in Nigeria trat die Kinderlähmung noch auf. „Leider sind in letzter Zeit neue Fälle von Polio dokumentiert worden“, bedauert Stefan Flindt. „Sogar in Ländern, die bislang poliofrei waren, wie Venezuela oder dem Kongo, wurden jetzt Fälle von Kinderlähmung registriert. Auch vom Horn von Afrika und im Nahen Osten, insbesondere Syrien, sind neue Fälle gemeldet worden. Das Projekt ,End Polio Now‘ muss also mit großer Intensität weiterbetrieben werden.“

Sensibilisierung der Bevölkerung

Rotary International, die Gemeinschaft aller Clubs weltweit, wird bei „End Polio Now“  von der Bill & Melinda Gates Foundation, die zu jedem Dollar, den Rotary für die Poliobekämpfung sammelt, zwei weitere Dollar hinzugibt. Allein von 2010 bis 2017 konnte Rotary International rund 700 Millionen Dollar, also knapp 610 Millionen Euro, für das Projekt bereitstellen. 270 Millionen Euro kostet die operative Unterstützung und Bezahlung der Millionen örtlichen Helfer, die den Impfstoff verabreichen und  Hausbesuche durchführen.

Ein ganz wichtiger Posten sind zudem die 120 Millionen Euro, die vor Ort für die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Impfkampagnen und den Nutzen der Impfungen ausgegeben werden. So konnten im Jahr 2017 über 430 Millionen Kinder in 39 Ländern geimpft werden.

Lauterberger Club stark engagiert

Auch der Rotary Club Bad Lauterberg-Südharz akquiriert seit seiner Gründung im August 1983 Spenden für den Kampf gegen die Kinderlähmung. Der Club war im Distrikt 1800, zu dem 78 Clubs gehören, immer ganz vorn dabei, wenn es um die Höhe der von den Mitgliedern gespendeten und eingesammelten Beträge ging. Mit einem Betrag in Höhe von 7500 Euro haben die Bad Lauterberger im Jahr 2016 im District sogar den höchsten Betrag für „End Polio Now“ gesammelt. Im Jahr 2015 konnte der Club sogar 10 000 Euro zur Bekämpfung von Polio zur Verfügung stellen.
Der Distrikt 1800 wiederum habe in den letzten zehn Jahren mit 1,3 Millionen Euro die größte Spendensumme der deutschen Distrikte geleistet, so Stefan Flindt.

Vor allem bei den Konzerten des Polizeiorchesters Niedersachsen im Kurpark Bad Lauterberg und am Glühweinstand vor Weihnachten in der Fußgängerzone Bad Lauterberg konnten sich die Clubmitglieder über die hohe Spendenbereitschaft der heimischen Bevölkerung freuen. Auch in diesem Jahr wird der Rotary Club den Glühweinstand wieder aufbauen, um Spenden für das Projekt „End Polio Now“ zu sammeln. Clubmitglied Florian Mangold wird in bewährter Weise dafür sorgen, dass die heißen Getränke und Brezeln am Stand nicht ausgehen.

Europa seit 2002 poliofrei

Die Geschichte der Kinderlähmung lasse sich in drei Phasen unterteilen, so Stefan Flindt . „Von der Antike bis zum 19. Jahrhundert trat die Krankheit relativ selten auf. Dann folgte die Epidemiephase bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Krankheit brach heftig aus und verbreitete sich weltweit. Das änderte sich erst in der Phase drei, nach der Einführung von Impfstoffen im Jahr 1955. Jetzt wurde die Krankheit in den 60er und 70er Jahren zuerst  in den wohlhabenderen Staaten und in der Folge auch in ärmeren Ländern auf der ganzen Welt reduziert.“ Die Hoffnung sei, dass es eine vierte und letzte Phase gebe, in der Polio vollständig ausgerottet ist.

„Leider sind in letzter Zeit neue Fälle von Polio dokumentiert worden.“
Stefan Flindt, Poliobeauftragter des Rotary Clubs Bad Lauterberg-Südharz

Es habe in den letzten Jahren auch so ausgesehen, als wäre das möglich, so Hinrich Bangemann. Ein Land nach dem anderen und eine Region nach der anderen sei von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für poliofrei erklärt worden. Wobei die WHO die Welt in sechs Regionen teile: Afrika, Amerika, östliches Mittelmeer, Europa, Südostasien und Westpazifik.
Europa wurde 2002 für poliofrei erklärt. Um als poliofrei zu gelten, muss eine Region mindestens drei Jahre lang keinen einheimischen Polio-Fall aufzeichnen, über ein zuverlässiges Überwachungssystem verfügen und ihre Fähigkeit zur Erkennung und Reaktion auf importierte Poliofälle unter Beweis stellen.

Impfungen nach wie vor wichtig

Das Stichwort „importierte Poliofälle“ weist daraufhin, dass auch bei uns die Impfung nach wie vor wichtig ist, denn die Viren können im Zeitalter der Flug- und Schiffsreisen jederzeit aus anderen Teilen der Welt wieder nach Deutschland gelangen. Schon Säuglinge sollten mit mehreren Impfdosen im ersten und zweiten Lebensjahr immunisiert werden, empfiehlt das Robert-Koch-Institut. Zehn Jahre später sollte die Impfung aufgefrischt werden. Der heute verwendete Impfstoff wird dabei gespritzt, nicht mehr geschluckt.

In Deutschland leben heute noch rund 50 000 bis 60 000 Menschen mit PPS, dem Post-Polio-Syndrom. Sie haben meist in jüngeren Jahren eine Polioinfektion mit Lähmungssymtomen durchlebt. Noch nach mehreren Jahrzehnten kann sich PPS entwickeln mit Muskelschwund, Muskelschmerzen und wiederkehrenden Lähmungen. Vor allem die chronische Muskelschwäche verschlimmert sich mit der Zeit. Mediziner glauben, dass gesunde Nervenzellen die Arbeit von abgestorbenen Nachbarzellen teilweise übernehmen müssen und auf Dauer der ständigen Überlastung nicht gewachsen sind und deshalb frühzeitig altern.

„Inspirieren wir gemeinsam mit Clubmitgliedern auf der ganzen Welt die Menschheit, sich für eine poliofreie Welt einzusetzen“,  so aktuell Barry Rassin, der Präsident von Rotary International. „Wir hoffen, mit unseren Aktionen hier vor Ort auch ein bisschen zu einer künftigen Welt ohne Kinderlähmung beitragen zu können“,  blickt Stefan Flindt optimistisch voraus.

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Fakten:

Der Weltpoliotag am 28. Oktober wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals im Jahr 1988 ins Leben gerufen.

Das Datum wurde gewählt, weil der Entwickler des ersten Impfstoffs gegen Polio/Kinderlähmung, Jonas Salk, am 28. Oktober 1914 in New York geboren wurde.

Die „Global Polio Eradication Initiative" (GPEI) wurde im Jahr 1988 mit dem Ziel einer poliofreien Welt gegründet und vereint heute mehrere Organisationen, unter anderem die WHO, UNICEF, Rotary International und die Bill & Melinda Gates Foundation.

Fotos: Rotary Club Bad Lauterberg-Südharz, Bild zwei: Polizeiorchester Niedersachsen


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