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Geschrieben von Karl Heinz Bleß am 16. August 2016
Aktuell

Wieso veranstaltet eine Klinik ein Rad-Event?

Interview mit dem Leitenden Arzt des Diabeteszentrums Bad Lauterberg, Dr. med. Thomas Werner.

Dr. med. Thomas Werner.
Dr. med. Thomas Werner.

Das Diabeteszentrum Bad Lauterberg veranstaltet am 27. August 2016 ein besonderes Mannschafts-Radrennen am Kurpark. Nicht der jeweils erste einer Mannschaft gewinnt, sondern es zählt die Durchschnittsgeschwindigkeit des gesamten Teams. Rund um die Rennen findet ein buntes Programm zwischen Kur- und Rathaus statt. Initiator der Veranstaltung ist Dr. Thomas Werner, Leitender Arzt des Diabeteszentrums. Das Interview führte Karl Heinz Bleß.

 

Herr Dr. Werner, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Radrennen zu veranstalten?

Es waren eigentlich zwei Ideen. Seit mehr als 25 Jahren veranstalten wir als Diabeteszentrum einen Patiententag für Diabetiker, Selbsthilfegruppen und interessierte Angehörige. Da gibt es aktuelle Informationen über die Diabetestherapie mit Vorträgen und einer Industrieausstellung. Diesmal ist das Thema „Bewegung und Sport“. Da ist es doch unpassend, wenn wir nur darüber sprechen. Es soll etwas Praktisches für jede Altersklasse sein, für die Oma genauso wie für den Jugendlichen.

Und die zweite Idee?

Die Frage: Was kann man an Sport anbieten? Wir wollten ein überschaubares Areal und Bewegung, die jeder kann. Radfahren kann so gut wie jeder.

Sie selbst haben ja auch einen Bezug zum Rennradfahren.

Ja, aber nur als Hobby. Ich benötige es als Stressabbau. Eine Stunde durch den Harz fahren – und schon ist der Kopf frei.

Sie haben also keine Angst vor Steigungen?

Nein, ganz im Gegenteil. So ein Berg macht doch erst richtig Spaß.

Wie sind Sie zum Radsport gekommen?

Die Tour de France hat mich schon immer interessiert. Und die für mich größte Herausforderung war damals der Mont Ventoux in der Provence. Der Berg ist echt fies. Das wollte ich selbst ausprobieren. Ich habe ein wenig trainiert und bin dann gefahren. Es war eine psychische und körperliche Herausforderung. Ich habe es geschafft! Das war emotional ganz toll. Danach habe ich mir ein Rennrad gekauft und bin dann auch Hobby-Rennen gefahren, zum Beispiel die Hamburg Cyclassics. Ich war sogar im Trainingslager.

Wollten Sie Radprofi werden?

Wer weiß, wenn ich nicht Arzt geworden wäre, vielleicht... Nein, im Ernst, es ist ein ganz toller Sport. Wie gesagt, heute ist es nur noch Erholung für mich, der Stressabbau. Und im Harz ist relativ wenig Verkehr. Da ist das super! Wenn man die Anstiege schafft, dann kommen die Endorphine, die Glückshormone. Es ist noch heute so: Wenn ich vor mir einen Radfahrer sehe, versuche ich ihn einzuholen.

Wie ist nun die Verbindung vom Radrennsport zur Diabetestherapie gekommen?

Als ich für einen Beitrag in einer Fachzeitschrift recherchierte, kam ich in Kontakt mit einer besonderen Radsportgruppe. Es waren alles Menschen mit Typ-1-Diabetes, die professionell Rennen gefahren sind. Dann kam die Idee, diese Profis mal hierher zu holen, sie hier fahren zu lassen. Typ-1-Diabetiker als Profisportler! Und auch den Patienten mal zu zeigen, dass man sehr wohl als Diabetiker Sport treiben kann – sogar Leistungssport. Man muss seinen Diabetes nur anders managen. So ist die Idee entstanden, hier ein Radrennen zu veranstalten. Bei der Planung habe ich dann den ehemaligen Radprofi Robert Förster in Leipzig getroffen. Das war für mich ein i-Tüpfelchen, das für viel Stress bei der Organisation für den 27. August entschädigt hat.

Haben Sie Unterstützung erfahren?

Ja, vor allem hier in der Klinik waren viele von der Idee begeistert. So haben die Diabetesberaterinnen gleich mitgemacht. Sie haben zum Beispiel den Malwettbewerb in den Kindergärten organisiert. Die Kindergärten in der Stadt sollen ja von der Veranstaltung besonders profitieren, weil die Preisgelder an die Kindertagesstätten gehen. Also die Bilder der Kinder haben mich begeistert. Und die Kinder haben sich gedanklich und auch praktisch mit dem Fahrradfahren beschäftigt. Das finde ich hervorragend. Die Liebe zu Bewegung und Sport fängt im Kindesalter an. Hier beginnt die Prävention unserer Zivilisationskrankheiten.

Und die Stadt Bad Lauterberg?

Der Bürgermeister war gleich aufgeschlossen, weil es ja in Bad Lauterberg eine fast 100-jährige Tradition von Radrennen gab. Aber er wollte gleich ein Event damit verbinden, damit möglichst viele Zuschauer kommen. Deshalb gibt es auch ein buntes Programm an diesem Tag zwischen dem Kurhaus und dem Rathaus – für Kinder, für Familien, für Diabetiker, für Sportler…

Die Stadt unterstützt uns bei der Sicherung der Rennstrecke, die über die Sebastian-Kneipp-Promenade, die Ahnstraße und den Postplatz führt. Und bei sämtlichen Genehmigungen. Die Strecke muss ja für den Verkehr gesperrt werden. Der Bauhof unterstützt uns, die Feuerwehr, das Rote Kreuz… Es ist ganz positiv.

Wie ist die Resonanz bei den Sportlern bisher?

Ich bin zufrieden. Die genaue Zahl der Mannschaften steht noch nicht fest. Einige haben zugesagt, andere haben wieder zurückgezogen, dafür kommen seit Ferienende neue Meldungen. Wir haben ja ganz unterschiedliche Rennen, so dass jeder mitmachen kann. Die Bambinis mit dem Laufrad und dem Kinderrad fahren 300 Meter, die „normalen“ Hobby-Radfahrer über 20 Kilometer und die Profis über 40 Kilometer. Da können noch viele mitmachen. Wichtig ist nur: Jeder Teilnehmer muss mindestens eine Woche vorher gemeldet sein.

Ich rechne mit 60 Teilnehmern bei den Hobby-Radfahrern, bei den Profis mit 40 Sportlern.

Wie genau wird die Zeitmessung sein? Es soll ja nur die gesamte Mannschaft gewinnen können. Das ist ja eine große Rechnerei.

Wir leihen uns das Equipment aus. So bekommt jeder Teilnehmer für die Zeitmessung einen Transponder, der personalisiert werden muss. Ja, das ist schon professionell. Und für die Moderation der Rennen haben wir einen Profi aus Hamburg engagiert. Der wird zusätzlich für eine spannende Atmosphäre sorgen, denke ich.

Wenn ich das so höre, was so alles an so einer Veranstaltung hängt …

Eigentlich geht das nicht nebenbei. Das ist ein Fulltime-Job. Es sind oft die kleinen Sachen, die man zu organisieren hat, bei denen es hakt. Es sind viele Telefonate, viele Besprechungen. Wenn man bedenkt, dass ich das alles nebenbei neben meinem Beruf mache, ist das schon anstrengend. Man muss so viele Leute unter einen Hut bringen. Zum Glück hatte ich ein Dreivierteljahr Vorlauf. Da konnte ich auch mal Pausen einlegen, wenn es bei der Arbeit in der Klinik eng wurde. Aber insgesamt habe ich in der Klinik eine große Unterstützung erfahren.

Werden Sie jetzt jedes Jahr ein solches Radrennen organisieren?

In der Form wie diesmal kann ich das nicht wieder alleine stemmen. Das muss dann von der Stadt oder einem Verein kommen. Ich werde das gerne unterstützen. Sie müssen auch bedenken, dass wir beim nächsten Patiententreffen, das ja der Anlass war und ist, ein anderes Thema haben werden. Da werden wir vermutlich etwas ganz anderes machen. Das Thema haben wir aber noch nicht.

Die Bewegung bleibt aber für Diabetiker wie für alle Menschen wichtig für die Gesundheit.

Natürlich. Es soll vor allem Spaß machen. Es ist ja ein wichtiges Ziel, deutlich zu machen, dass Bewegung und Sport für Diabetiker wichtig und Leistungssport möglich ist. Wir werden beim Rennen bei Patienten die Blutzuckerwerte messen und auswerten. Das ist sozusagen der wissenschaftliche Aspekt des Events. Wir werden die Ergebnisse von Langzeitmessgeräten auswerten und das Zuckerverhalten beobachten.

Verändern sich die Blutzuckerwerte beim Sport?

Na klar. Sport und Bewegung senken den Blutzuckerwert, Stress nicht, eher im Gegenteil. Es sind zumindest beim Leistungssportler zwei gegensätzliche Faktoren, die sich auswirken. Um es kurz zu sagen: Beim Leistungssportler ist nicht alles erklärbar. Aber trotzdem kann man es lernen, den Zucker zu managen. Wir können immer noch dazulernen. In den 1960er-Jahren ging man davon aus, dass jemand, bei dem man Diabetes entdeckte, in wenigen Jahren schwere Folgeerkrankungen entwickelt, ja sogar sterben wird. Das hat sich total geändert. Es gibt eigentlich nur das Problem, den Blutzucker zu managen. Auf diesem Gebiet gibt es einen ganz tollen medizinischen Fortschritt. Es ist ein Plus an Lebensjahren, ein Plus an Lebensqualität. Bewegung und Sport sind dabei ganz wichtige Faktoren.

Viel Erfolg am 27. August und vielen Dank für das Gespräch.


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